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Kampf um Raqqa: Die Sicherheit Rojavas und Föderalisierung Syriens

Lage in Raqqa-Front, via Twitter @CivilWarMap
Ende Mai letzten Jahres waren viele Kurden zunächst nicht groß erfreut über die SDF-Ankündigung der Offensive "Wut des Euphrats" zur Befreiung der Stadt Raqqa. Schließlich ist Raqqa die Hauptstadt der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) und wird hauptsächlich von Arabern bewohnt. Die Kurden - aber auch die kurdischen YPG - sahen keinen Grund, eine Großstadt wie Raqqa, in der zu 99% Araber leben, zu annektieren. Viel mehr will die kurdische Bewegung ihre arabischen Verbündeten dabei unterstützen, ihre Heimat von der Gewalt des IS zu befreien und neue Freunde zu gewinnen und ihre Errungenschaften zu festigen. 13.000 der 45.000 SDF-Kämpfer, die an der Offensive "Wut des Euphrats" zur Befreiung der IS-Hauptstadt Raqqa teilnehmen, sind Araber, erklärte John Dorrian, Sprecher der US-geführten Anti-IS-Koalition, am 08. Dezember 2016 [1].

Mit der Unterstützung der kurdischen Bewegung lernen die lokalen arabischen Stämme erstmals sich selbst zu verteidigen und zu verwalten. „Die PYD gibt ihnen so einen Vorgeschmack auf eine lokale politische Autonomie und macht damit die kurdische Forderung nach einem dezentralisierten föderalen System auch für die syrischen Araber sympathischer“, kommentiert Prof. Fabrice Balanche vom Washington Institute for Near East Policy (WINEP) in seiner Kolumne [2].

Die YPG-Führung betont immer, dass die Sicherheit von Rojava außerhalb der Grenzen Rojavas beginnt. Die Einnahme von Raqqa oder Deir ez-Zor wären deshalb von wichtiger Bedeutung, um den blutigen syrischen Bürgerkrieg von Rojava fernzuhalten und um sicherzustellen, dass die Feinde Rojavas - wie das Assad-Regime und andere Kräfte - in das Gebiet zurückkehren. Für die US-Regierung ist die Offensive auf Raqqa fast wichtiger als die auf Mosul, weshalb sie trotz der Türkei die SDF bewaffnen und sie im Kampf gegen den IS auch mit Bodentruppen unterstützen. Für die Offensive auf Raqqa haben die USA mehrere hundert Spezialeinheiten zur Ausbildung und Beratung der SDF vor Ort stationiert. Auch Frankreich unterstützt die SDF mit Militärberatern. Seit der Zusammenarbeit der syrischen Kurden mit den USA und der Offensive auf Raqqa bekamen die SDF/YPG faktisch auch eine Pufferzone gegen das Assad-Regime. Die Kampfflugzeuge des Assad-Regimes dürfen nicht mehr über die SDF/YPG-Gebiete fliegen. Als im August 2016 syrische Kampfjets des Assad-Regimes die Stellungen der kurdischen YPG in Hassakê bombardierten, wurden amerikanische Jagdflugzeuge in Eile gestartet, um den Kurden zu Hilfe zu kommen. Zu Kriegshandlungen kam es nicht, weil die syrischen Migs die Flucht ergriffen. Mit dem Einsatz hätten die US-Streitkräfte ihre Verbündeten „geschützt“ und klargemacht, dass die US-Luftwaffe - wie Pentagon-Sprecher Jeff Davis [3] sagte - „Truppen am Boden im Bedrohungsfall schützen“ werde.

Ferner befinden sich immer noch viele êzîdische Frauen und Kinder aus Shingal in der Gefangenschaft des IS in Raqqa. Sie wurden nach dem Völkermord des IS an den Êziden im Shingal/Irak im August 2014 nach Raqqa verschleppt. Die Kommandantin der SDF bei der Raqqa-Offensive „Zorn des Euphrat“, Rojda Felat, erklärte wie folgt: „Raqqa wird von uns Frauen befreit. Wir werden es sein, die die êzidischen Frauen aus der Hand des IS befreien.“ [4]

Die Türkei stellt sich mit aller Härte gegen die USA-SDF-Zusammenarbeit für die Befreiung von Raqqa und will eine Föderalisierung Syriens und eine autonome Kurdenregion im Norden des Landes verhindern. Der türkische Staat hofft, dass der neue US-Präsident Donald Trump die kurdisch-arabische Anti-IS-Allianz SDF aufgibt und stattdessen mit der türkischen Armee gegen den IS in Raqqa kooperiert [5]. Die türkische Regierung unter der Führung von Erdogan erklärt sich bereit, eigene Spezialkräfte nach Raqqa zu schicken [6]. Das nächste Ziel der türkischen Militäroperation in Syrien sind Manbij und Raqqa, erklärte Erdogan am Sonntag [7]. Der Sprecher des türkischen Staatspräsidiums, Ibrahim Kalin, hat in der vergangenen Woche gesagt, Ankara habe zur Befreiung von Raqqa einen ausführlichen Plan eingereicht und die strategischen Beratungen mit der US-Administration würden fortgesetzt sein [8]. Berichten zufolge sieht der Plan vor, die SDF (zwischen Arabern und Kurden) zu spalten und die arabischen Gruppen innerhalb der SDF mit den Gruppen innerhalb der sogenannten türkisch-geführten „Schutzschild Euphrat“ zu vereinen. Dieser Plan ist jedoch alt. Bereits im September 2016 versuchte die türkische Regierung, die arabischen Partner der SDF für ihre Militäroffensive „Schutzschild Euphrat“, welche gegen die Föderation Rojava-Nordsyrien gerichtet ist, zu umwerben – doch ohne einen großen Erfolg. Lediglich ein kleiner Teil der Gruppe "Liwa al-Tahrir" (mit etwa 50 Kämpfern) sind zu den türkisch geführten Rebellengruppen in Jarabulus übergelaufen. Viele sind innerhalb der SDF geblieben und haben öffentlich ihre Loyalität zu der SDF bekundet [9].

Um zu verhindern, dass der Korridor zwischen den von den SDF/YPG kontrollierten Gebieten geschlossen wird, startete die Türkei unter dem Operationsnamen „Schutzschild Euphrat“ eine Offensive und drang am 24. August 2016 mit verbündeten "Rebellen"-Gruppen völkerrechtswidrig in Nordsyrien ein. Mittlerweile (nach 3 Monaten) stehen die türkisch-geführten Besatzungstruppen kurz davor, die Stadt al-Bab einzunehmen. Die Raqqa-Offensive hat für die Festigung der Errungenschaften der syrischen Kurden eine hohe Bedeutung. Sollte nach Al-Bab auch Raqqa an die türkisch-geführten Gruppen fallen, wäre Rojava komplett feindlichen Kräften belagert. Das ist auch das langfristige Ziel des türkischen Erdogan-Regimes. Doch diese Möglichkeit ist aktuell sehr gering. Während die türkische Armee seit Monaten mit Al-Bab beschäftigt und derzeit 210 km von Raqqa entfernt ist, stehen die SDF bereits 5 km vor den Toren Raqqas [10].

Ismail Zagros, 14.02.2017

Einzelquellen:

[1] Department of Defense Press Briefing by Col. Dorrian via teleconference from Baghdad, IraqColonel John Dorrian, Operation Inherent Resolve spokesman, Dec. 8, 2016
[2] The Campaign to Retake Raqqa Is Accelerating
[3] Nach Angriffen der Assad-Truppen: USA kommen Kurden zur Hilfe

[4] Syrien: Regierung lehnt kurdisches Autonomiegebiet ab

[5] Weltpresse: 13.02.2017

[6] Cavusoglu: Nach Al-Bab ist Raqqa das nächste Ziel der Türkei

[7] Erdoğan, Suriye’de hedef tazeledi: Sırada Menbiç ve Rakka var

[8] Erdogan says end goal of Turkish operation in Syria is Raqqa

[9] Verrat an den Kurden?

[10] #SDF captured Shanina Grain Silos, Jisr Shanina, Shanina, Tall Mahlas and Mahran from #ISIS - 5km to #Raqqa


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