West-Kurdistan auf dem Weg zum zweiten Kurdenstaat?

Rojava - West-Kurdistan

Ismail Zagros - Ein konstituierender Rat aus 82 Personen hat sich mit der Aufgabe zur Bildung einer autonomen Übergangsregierung für West-Kurdistan (Rojava/Nord-Syrien) gebildet. Dieser Beschluss wurde nach insgesamt zwei Vorbereitungstreffen am 12. November 2013 in der westkurdischen Stadt Qamişlo mit der Beteiligung von kurdischen, arabischen, tschetschenischen und christlichen VertreterInnen bekannt gegeben.[1] Die interimistische Regierung will das Machtvakuum bis zum Ende des Bürgerkrieges in Syrien füllen. Das Gebiet von West-Kurdistan soll dabei in drei autonome Bezirke, Efrîn, Kobanê und Cizîrê, aufgeteilt werden, in denen ebenfalls eigene Selbstverwaltungsräte gebildet werden sollen. Dieses Gremium soll die Arbeit an den regionalen Wahlgesetzen und die Vorbereitung von Wahlen kontrollieren sowie sich mit der Lösung von politischen, wirtschaftlichen, militärischen und Sicherheitsfragen befassen und eine eigene Verfassung ausarbeiten.[2]

Das Projekt zur Bildung einer autonomen Übergangsregierung im Norden und Nordosten Syriens, wo Kurden die Mehrheit der Bevölkerung stellen, wurde von der größten kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) vorgeschlagen und nach mehreren Gesprächen mit dem Kurdischen Nationalrat (ENKS) zugestimmt und unterzeichnet (siehe Dokument unten). Die ENKS ist ein Oppositionsbündnis aus 15 kurdischen Parteien in Syrien und repräsentiert gemeinsam mit der größten kurdischen Partei PYD die kurdische Opposition in Syrien.[3] Zusammen bilden sie das Hohe Kurdische Komitee, welches im Juli 2012 unter der Schirmherrschaft von Masud Barzani, Präsident der Autonomen Region Kurdistan, in der Hauptstadt Hewlêr in Südkurdistan gegründet wurde.[4]

Das Autonomie-Projekt soll innerhalb von sechs Monaten umgesetzt werden. Dafür wurde ein Komitee aus 55 Mitgliedern gebildet.[5] Obwohl dieses Vorhaben von der ENKS unterstützt und unterzeichnet wurde, wendete sich die Politische Union in der ENKS, ein neu formierter Zusammenschluss der vier kurdischen Parteien El-Parti, den beiden Azadi-Parteien und der Yekiti-Partei, im Nachhinein dagegen und warf der PYD vor, einseitig zu handeln und dem Baath-Regime zu dienen.[6] Auch die Regierung der Autonomen Region Kurdistan von Barzani im Norden Iraks hat das Autonomie-Projekt nicht befürwortet und warf der PYD vor, zum Assad-Regime zu halten.[7] Die Oppositionsparteien in der KRG, die Patriotische Union Kurdistan (PUK) und die Bewegung für Wandel Goran begrüßten hingegen das Autonomie-Projekt der Kurden in Syrien.[8],[9]

Wichtig zu erwähnen ist auch, dass derzeit fünf Mitglieder der ENKS, die Kurdisch Demokratische Partei in Syrien (PDKS) von Nasreddin Ibrahim, Kurdisch Demokratische Partei in Syrien (PDKS) von Şêx Jamal, Partei der Kurdischen Linken in Syrien (PÇKS) von Muhammad Musa, Kurdische Demokratische Einheitspartei in Syrien (PYDKS) von Mihyedîn Şêx Alî, Partei der Kurdischen Demokratischen Linke in Syrien (PÇDKS) von Salih Gedo dieses Projekt aktiv unterstützen und in der Übergangsregierung vertreten sind. Es wird erwartet, dass auch andere kurdische Parteien innerhalb der ENKS in Kürze an diesem Projekt teilnehmen werden.

Während die Syrische Nationale Oppositionskoalition (SNC), in der auch der Kurdische Nationalrat (ENKS) seit diesem September vertreten ist, am selben Tag wie die Kurden die Bildung ihrer Übergangsregierung verkündet hat, zugleich das Autonomie-Projekt der Kurden verurteilt und vor den Versuchen, das Land zu spalten, gewarnt hat[10], begrüßte das Nationale Koordinationskomitee für den Demokratischen Wandel der Syrischen Kräfte (NCC), in der auch die größte kurdische Partei PYD vertreten ist, dieses Vorhaben der Kurden.[11]

Die rund drei bis vier Millionen Kurden bilden die nach den Arabern größte ethnische Gruppe in Syrien. Seit Ausbruch des Bürgerkrieges versuchten die unter Assad systematisch diskriminierten Kurden den schwierigen Balanceakt, sich weder auf die Seite des Regimes noch auf die Seite der Rebellen zu stellen. Nach dem Abzug der Regimetruppen von Baschar al-Assad im Juli 2012 aus West-Kurdistan haben die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) die Verantwortung für die Verteidigung der Bevölkerung in dieser Region übernommen. In den vergangenen Monaten lieferten sich die Volksverteidigungseinheiten der YPG vermehrt Kämpfe mit der Al-Qaida-nahen Gruppen der Al-Nusra-Front und der Gruppierung „Islamischer Staat in Syrien und Irak“ (ISI).

Folgende Parteien, Organisationen und Institutionen befürworten und unterstützen das Projekt zur Bildung einer autonomen Übergangsregierung in West-Kurdistan[12]:

1 – Assyrische Einheitspartei
2 – Vereinigung der Assyrischen  Jugend
3 – Assyrischer Kulturverein
4 – Verband  der assyrischen Akademiker
5 – Verband der Assyrischen Frauen
6 – Das Nationale Koordinationskomitee für den demokratischen Wandel der syrischen Kräfte (NCC)
7 – Nationale Gemeinschaft Syrien
8 – Nationales Komitee der Araber
9 – Kommunistische Arbeiterpartei
10 – Kurdische Linke
11 – Demokratische Partei Kurdistan
12 – Partei der Kurdischen Demokratischen Linke
13 – Zusammenschluss der Kurdischen Demokratischen Patrioten in Syrien
14 – Kurdische Partei für Frieden und Demokratie
15 – Liberale Partei Kurdistan
16 – Kurdische Demokratische Partei in Syrien
17 – Verband der Feministischen Frauen
18 – Fraueninitiative von Syrien
19 – Juristen von West-Kurdistan
20 – Nationales Friedenskomitee
21 – Partei der Demokratischen Union
22 – Organisation der Revolutionären Frauen
23 – Verwaltung der Diplomatischen Beziehungen von West-Kurdistan
24 – Volksrat von West-Kurdistan
25 – Demokratische Partei Kurdistans in Syrien
26 – Organisation für Gesellschaftlichen Staat und Bürger
27 – Organisation Sara gegen Folter an Frauen
28 – Zusammenkommen Fortschrittlicher Jugend in Syrien
29 – Kommunistische Partei Kurdistan
30 – Die Bewegung der Demokratischen Gesellschaft in Westkurdistan TEV-DEM
31 – Das Hohe Kurdische Komitee (DBK)
32 – Kurdisches Zentrum für Strategische Untersuchungen
33 – Konföderale Kurdische Patriotische Studierende
34 – Bewegung der Revolutionären Jugend
35 – Bewegung der Revolutionären Frauenjugend

Quelle: Ismail Zagros

Einzelnachweise:
1) Rojava auf dem Weg zu einer provisorischen Selbstverwaltung
2, 5, 10) Syrien vor Spaltung: Kurden wollen Autonomie
3) Kurdischer Nationalrat
4) Hohes Kurdisches Komitee
6) El-Parti-Vorsitzender: Das Projekt der PYD zur Bildung einer Übergangsregierung ein falscher Schritt
7) Barzani pessimistic about the future of Syrian Kurdistan - Erklärung von Barzani über Rojava
8) PUK unterstützt die Übergangsregierung von Rojava
9) Goran unterstützt Rojava
11) NCC unterstützt das Projekt zur Bildung einer Übergangsregierung
12) 35 Organisationen unterstützen das Projekt einer Übergangsregierung in Rojava