Ismail Zagros - In der nordkurdischen Metropole Amed (Diyarbakir) fand im Zeitraum vom 31. Mai bis zum 02. Juni 2013 die erste Konferenz der Frauen aus dem Nahen Osten im Gedenken an die drei in Paris ermordeten kurdischen Aktivistinnen Sakine Cansiz, Fidan Dogan und Leyla Saylemez mit der Teilnahme von 250 Politikerinnen, Akademikerinnen und Frauenaktivistinnen aus 23 Ländern statt. Leyla Khaled, eine berühmte palästinensische Revolutionärin und Mitglied der PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas), und die bekannte kurdische Politikerin und unabhängige Abgeordnete der Stadt Amed, Leyla Zana, war auch unter den Teilnehmerinnen anwesend. Leyla Zana gilt unter der kurdischen Bevölkerung in Kurdistan und Leyla Khaled unter der palästinensischen Bevölkerung in Palästina als die Symbolfigur des Frauen- und nationalen Freiheitskampfes. Das Zusammenkommen beider lebenden Legenden war am Anfang der Konferenz für viele Frauen etwas sehr Aufregendes.Doch die Situation änderte sich, als die Beiden ihre Reden hielten.
Zuerst sprach die berühmte palästinensische Revolutionärin Khaled. Während ihrer Rede nahm sie weder "Kurden" noch "Kurdistan" in den Mund. Sie erzählte größtenteils über den Freiheitskampf des palästinensischen Volkes gegenüber Israel und rief alle Frauen dazu auf, die Palästinenser bei der "Vernichtung des zionistischen Staates Israel" zu unterstützen.
Anschließend sprach Zana, die Symbolfigur der Kurden. Sie sprach gegen eine "Vernichtung Israels" und für ein "friedliches Zusammenleben und der Akzeptanz der Völker im Mittleren Osten". Dabei kritisierte sie die Staaten dieses Gebietes für ihr Schweigen gegenüber den Problemen des kurdischen Volkes.
Zana: "Genauso wie Arabisch die Sprache der Araber ist, so ist auch Kurdisch die Sprache der Kurden. Wie kann es sein, dass 40 Millionen Kurden in einer Region leben, aber nichts besitzen? Sie können nicht einmal in ihrer eigenen Muttersprache unterrichtet werden. 100 Jahre sind jetzt so vergangen. Die Revolutionäre im Mittleren Osten haben sich nie diese Frage gestellt: Warum bauen wir keine Brücke zu ihnen[Kurden] auf? Wir sagen, dass wir Revolutionäre sind. Unsere revolutionäre Ansicht trennt sich aber hier. Die größte Revolution ist die Veränderung der menschlichen Denkweise [Mentalität]. Die Distanzierung von Rassismus. Die palästinensische Frage ist ein herzschmerzendes Problem."
Weiterhin sagte Zana: "Ich will, dass Palästina ein Staat wird, in dem die Menschen ihre Rechte in Freiheit leben können. Ich will aber nicht die Vernichtung von Israel. Alle Völker können miteinander friedlich zusammenleben und sich gegenseitig akzeptieren."
Die Rede von Zana für ein friedliches Zusammenleben verschiedener Völker machte die palästinensische Revolutionärin Khaled äußerst wütend, sodass sie deshalb nach einer Pause ein zweites Mal zu Wort kam, um Zana zu antworten. "Israel hat unser Land zerstört. Wir kämpfen für ganz Palästina. Die Besatzer haben keinen Platz in unserem Land. Wir lehnen sie ab. Die Zionisten können nicht auf diesem Land leben. Man kann nicht die Henker und Opfer in den gleichen Topf werfen. Wir wollen in Palästina eine demokratische Lösung und ein freies Leben. Wir können den Frieden gewinnen, indem wir die Besatzer vertreiben und nicht ihnen Rechte geben", so Khaled.
Nach der Konferenz nahm Zana eine kurze Stellung auf Khaleds Reaktion: "Obwohl Leyla Khaled eine revolutionäre [kämpferische] Frau ist und diese Konferenz von kurdischen Frauen organisiert worden ist, nahm sie die Kurden nicht ein einziges Mal in den Mund. Ich reagierte darauf. Wir sind gegen die Besatzung von Israel in Palästina. Jedoch sind wir für ein friedliches Zusammenleben. Wieso Frau Khaled dann so reagiert hat, habe ich nicht verstanden."
Wenn man die Rede von Khaled hört, sieht man, wie wenig die revolutionären Kräfte im Mittleren Osten bezüglich der Kurdenfrage wissen und wie wenig sie sich damit auseinandersetzen. Mit über 40 Millionen sind die Kurden eines der ältesten Völker im Mittleren Osten und das größte Volk der Welt ohne einen eigenen Staat. Seine Geschichte geht bis zu 5000 Jahren zurück. Die Kurden lebten schon 4000 Jahre vor den Türken in dieser Region. Das Land der Kurden, Kurdistan, ist seit dem Vertrag von Lausanne 1923 von den Staaten Türkei, Iran, Irak und Syrien besetzt. Wieso zeigt Khaled, als eine revolutionäre linke Frau, nicht die selbe Reaktion bezüglich Israel auf diese vier Besatzungsländer? Wieso will sie nicht die Vernichtung der Türkei, des Iran, Irak und von Syrien? Vielleicht weil die Besatzer Kurdistans die Palästinenser im Kampf gegen Israel unterstützen und sie deshalb ihre Beziehungen nicht gefährden will?
Von Ismail Zagros, 06.05.2013
Weitere Quellen: Ilkehaber, Star, Milliyet
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